Ratgeber Naturmedizin – 24 - 2024

Sonja Wunderlin, Naturheilpraktikerin
Praxis am Laufenplatz 148, 5080 Laufenburg, Tel. 062 874 00 16

Unkraut – Heilkraut – Wildgemüse: Giersch und Gänsedistel
Im Moment wuchert es in der Natur. Welche Pflanzen in dem massigen Grün als Unkraut, als Heilkraut oder gar als Wildgemüse gelten, hat immer mit der eigenen Sichtweise zu tun.

Foto: zVgWarum nicht ein Experiment machen und das Unkraut mal genauer betrachten, die Perspektive wechseln? Die Ungeliebten, die Kräftigen, Wüchsigen, die wild Wachsenden. Warum sind sie da? Was sagen sie über den Boden, was über den Gärtner, in dessen Garten sie wachsen? Warum mögen wir sie nicht? Und könnte man sich allenfalls sogar mit ihnen anfreunden?
Viele sogenannte Unkräuter sind ökologisch sehr wichtig, sind Nahrung, Unterschlupfsort und Brutstätte für vielerlei Kleinstlebewesen. Gewisse «Ackerbeikräuter» unterstützen mittels Pilzen und Bakterien unterirdisch sogar die Frucht, die wir anbauen. Viele (Un-)Kräuter haben ausserdem heilsame Wirkungen und sind oft auch essbar. Die Wurzeln der Glockenblumen oder der Nachtkerze schmecken gebraten nussig, Wegerich- und Löwen­­zahnknospen lassen sich zu Kapern verarbeiten oder die Brennnessel in der Suppe oder frittiert zu Chips wirkt aufbauend. Die Distel und den Giersch möchte ich hier genauer beleuchten.
Der Giersch Aegopodium podagraria, umgangssprachlich Baumtropfen oder Geissfuss genannt, wächst in den eher feuchten und nährstoffreichen Krautsäumen und verbreitet sich unterirdisch durch Rhizome. Vergisst der Gärtner ein winziges Rhizom, so wächst die Pflanze weiter.
In der Wildkräuterküche ist Giersch bekannt als Kerbel-artig schmeckende Beigabe zu Salaten und Gemüse. Gegessen werden die jungen Blätter, die Blütenknospen und die blühenden Dolden. Aus den jungen Samen kann Kräutersalz hergestellt werden. Sein wissenschaftlicher Name (s. oben) weist hin auf die Anwendung bei Po­dagra, Gicht des Grosszehen-Grundgelenks. Wenn dieses Gelenk schmerzhaft geschwollen ist und sich ausserdem im Blut ein erhöhter Harnsäure-Wert zeigt, ist die frische Giersch­wurzel als Tee zubereitet Mittel der Wahl. Ebenso angewandt wird er als Heilmittel bei Gelenksentzündungen und rheumatischen Erkrankungen.
Zwei Gänsedisteln, die raue Gänsedistel Sonchus asper und die Kohl-Gänsedistel Sonchus oleraceus, habe ich ganz neu entdeckt. Eigentlich aus der Not. Ich habe Wildpflanzen gesucht für einen Kochanlass im Rehmann-Museum in Laufenburg. Die Disteln bevorzugen lehmige Böden, wachsen gerne auf Äckern oder in Wiesen. Sie werden bei guten Bedingungen bis 1,2 m hoch, bilden grosse fleischige Blätter und enthalten einen weissen Milchsaft. Die beiden Sonchus-Arten sind sehr häufig – schnell ist ein Korb voll gesammelt. Die stacheligen, süsslich-bitteren Distelblätter wurden zu einer (nicht mehr stechenden) Delikatesse blanchiert und die Blütenknospen frittiert. Die Gänsedistel wirkt positiv auf Verdauung und Leber und anti-entzündlich auf den gesamten Körper. So wird aus Unkraut ein Wildgemüse. Und das Schönste: Man braucht gar nichts anzupflanzen.
Für mich gibt es ein einziges Kraut, das nach wie vor ein lästiges Unkraut bleibt: Der kriechende Hahnenfuss. Wer eine Idee hat, wie man den aus dem Garten vertreibt oder ihn gar zu irgendeinem Zweck verwenden kann, darf sich gerne melden.

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Weiterführende Informationen finden Sie unter www.sonjawunderlin.ch